Schwerpunkt

Sicher sanieren

Bei der Umsetzung der Energiewende ist die Baubranche gefordert, Gebäude effizienter und nachhaltiger zu machen. Damit der Sanierungswelle kein Anstieg bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten folgt, gilt es, konsequent auf den Arbeitsschutz zu achten.

Niemand bleibt vom Thema Energiewende unberührt. Es ist verbunden mit dem existenziellen Problem des Klimawandels und eine Aufgabe von gesellschaftlicher Tragweite. Allen Beteiligten sollte bewusst sein, dass für das Gelingen der Energiewende vor allem die Unternehmen der Bauwirtschaft gefragt sind. Das trifft sowohl auf den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur als auch auf die öffentlichen und privaten Haushalte auf Verbraucherseite zu. Dächer, Fassaden, Fenster und Heizungen von Bestandsgebäuden stehen auf dem Prüfstand. Der Aufwand ist gewaltig, der Bedarf riesig. Trotzdem und gerade deshalb kommen der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz eine besondere Rolle zu: Wie auch bei Neubauten ergeben sich vielfältige Gefährdungen, dazu kommen Gebäudeschadstoffe wie Asbest, die in den Gemäuern und Aufbauten schlummern. Wir zeigen, wo typische Gefährdungen lauern und wie sich diesen begegnen lässt.

Ein Bauarbeiter mit persönlicher Schutzausrüstung bricht mit einem Schlagbohrhammer den Innenwandputz weg.
Bild: Kadmy - stock.adobe.com

1. Bauen im Bestand: Heizungen, Fußböden und mehr

Werden Bestandsgebäude saniert, kann Staub und insbesondere Asbest schnell zum Problem werden. Gefährliche Asbestfasern können in allen Bestandsgebäuden vorhanden sein, deren Baubeginn vor 1994 lag – werden sie durch Bauarbeiten freigesetzt und gelangen über die Luft in die Lunge, können sie schwerste Krankheiten auslösen. Asbest findet sich zum Beispiel in Fußböden, Fassaden, Wänden und Dächern älterer Häuser. Bei der energetischen Sanierung ist etwa beim Heizungs- und Fenstertausch Vorsicht geboten.
 

Asbest – häufiger verbaut als gedacht

An alten Heizkörpern können asbesthaltige Dichtungen verbaut sein, die Innenseite von Heizungsverkleidungen enthält oft Asbestpappe. Alte Heizungsrohre sind manchmal mit Asbestisolierung ummantelt. Werden für neue Rohre Löcher in Wände gebohrt, besteht die Gefahr, auf asbesthaltigen Putz oder Spachtelmasse zu stoßen. Entfernt man den Bodenbelag, um etwa Flächenheizungen zu verlegen, können sich dort Bodenbeläge, Kleber, Trittschallmaterialien und Steinholzestrich mit Asbestfasern befinden. Bei Fenstern stellen Fensterbänke aus Asbestzement, Fensterkitt mit Asbestfasern oder asbesthaltiger Spachtel in Laibungen eine Gefahr dar.

Damit Sie Ihre Beschäftigten nicht durch Asbest gefährden, ist es erforderlich, genaue Informationen zum Baujahr des Sanierungsobjekts einzuholen. Bei Gebäuden älter als 1994 muss immer mit Asbest gerechnet werden. Ein Verdacht kann etwa über die Laboruntersuchung von Proben geprüft werden. Wichtig ist konsequent staubarmes Arbeiten:

  • mit abgesaugten Maschinen,
  • bei Asbestverdacht auch mit Atemschutz und Schutzanzügen, staubdichten Abschottungen, Luftreiniger, Schleusen sowie fachkundigem Personal.
  • Wenn von Asbestfunden ein hohes Risiko ausgeht, muss eine Spezialfirma die Arbeit übernehmen.
     

E-Learning der BG BAU zum Thema Asbest

Arbeitsschutzprämie „Bauen im Bestand“

Das ist das Logo zur Digitalen Gefährdungsbeurteilung.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU

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Drei Männer montieren eine Photovoltaik-Anlage auf einem Dach.
Bild: Tina Binder - stock.adobe.com

2. Solardächer und Dachsanierung

Die Umstellung von Heizungen mit fossilen Energieträgern auf Wärmepumpen geht häufig mit weiteren energieeinsparenden und -erzeugenden Maßnahmen einher: In Kombination mit einer Wärmepumpe macht eine Photovoltaikanlage Sinn, denn die Pumpe benötigt Strom, um ausreichend Wärmeenergie für Fußbodenheizung und vor allem Warmwasserversorgung bereitzustellen – und je nach Typ besonders viel, wenn es draußen kalt ist. Dachflächen bieten optimale Standortbedingungen für Solaranlagen. Und hier tut sich im Zuge der zunehmenden energetischen Sanierung eine neue Gefahrenquelle auf: Die BG BAU registriert immer häufiger Elektrounfälle von Dachdeckerinnen und Dachdeckern beim Aufbau von Photovoltaikanlagen, weil sie elektrotechnische Arbeiten ohne die notwendige Qualifikation ausführen.
 

Elektroarbeiten nur unter fachlicher Aufsicht

Bei der Montage der Solarmodule, beim Aufbau der Unterkonstruktionen sowie beim Verbinden der Module mit berührungssicheren Steckverbindungen und auch bei der Leitungsführung auf dem Dach (vorhandene Blitzschutzanlagen einbeziehen) sind elektrotechnische Grundsätze zu beachten. Diese Tätigkeiten sind in der Regel handwerklich simpel, sie wiederholen sich – aber es sind elektrotechnische Arbeiten! Sollen sie von Dachdeckerinnen oder Dachdeckern ausgeführt werden, müssen die Beschäftigten dabei unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft stehen. Diese darf auch von der am Bau ohnehin beteiligten Elektrofirma – einer Kooperationsvereinbarung der Branchenverbände sei Dank – gestellt werden. Zugunsten eines wirksamen Arbeitsschutzes empfehlen sich folgende präventive Maßnahmen:

  • Eine Elektrofachkraft mit Erfahrung beim Solarbau lernt die Beschäftigten an, unterweist sie und führt bei den Arbeiten die Aufsicht. Sie muss dabei nicht unbedingt permanent anwesend sein, trägt aber die Verantwortung.
  • Die zulässigen Arbeiten sind dabei präzise vorzugeben. Dachdeckerinnen und Dachdecker dürfen zum Beispiel die einzelnen Solarmodule mit den berührungssicheren Steckvorrichtungen verbinden, aber diese Verbinder nicht wieder öffnen.
  • Für alle anderen Arbeiten, wie etwa das Ablängen und Abisolieren der Leitungen, das Pressen von Steckverbindern, das Schließen und Öffnen von Stromkreisen sowie alle Installationen an Anschlussboxen, Wechselrichtern oder Haustechnik sind Elektrofachkräften zuständig, die auch Erfahrung beim Arbeiten unter Spannung (in Photovoltaikanlagen) nachweisen können müssen.

Bevor die Dachflächen mit Solarmodulen bestückt werden können, steht oft ihre energetische Sanierung an. Eine Aufdach- beziehungsweise Aufsparrendämmung, Reparaturen an Dachstuhl oder die Eindeckung erfordern Tätigkeiten über der kritischen Absturzhöhe und in Reichweite von Absturzkanten. Die ausführenden Betriebe haben Zugriff auf ein ausgereiftes Regelwerk, damit ihre Beschäftigten diese Arbeiten sicher erledigen können. Welche Schutzmaßnahmen gegen Absturz oder Durchsturz wann und nach welcher Logik zu ergreifen sind, lesen Sie in folgendem Beitrag :

Ein Handwerker installiert Polystyrolplatten zur Wärmedämmung an einer Hausfassade eines Altbaus.
Bild: Ingo Bartussek - stock.adobe.com

3. Fassadendämmung

Spätestens ab der ersten Etage und oft auch schon darunter ist der Absturzschutz auch bei Arbeiten an Fassaden das A und O für sicheres und professionelles Arbeiten. Soll die Gebäudehülle energetisch aufgewertet werden, erfolgt gemeinhin eine Dämmung der Außenseite, die von Gerüsten aus angebracht wird. Das Problem: Es kann zu Ab- oder genauer Durchstürzen zwischen Gerüst und Fassade kommen, wenn die Abstände im ungedämmten Zustand zu groß sind oder bei Montage der Dämmplatten die sichernden Querholme unerlaubterweise abgenommen werden. Für das Aufstellen von Fassadengerüsten gelten konkrete technische Regeln. Der Abstand zwischen Bauwerk und Gerüstbelag darf höchstens 30 Zentimeter betragen. Steht das Gerüst in größerem Abstand zur Fassade, können Innenkonsolen eingesetzt werden, die den Abstand auf das maximal erlaubte Maß verringern. Geschieht dies nicht, ist es notwendig, einen zweiteiligen Seitenschutz nach innen zu montieren.
 

Bei Gerüsten auch auf die Breite achten

Ein mögliches weiteres Sicherheitsproblem beim Dämmen: Das für die Arbeiten benötigte Material wird häufig auf den Gerüstbohlen gelagert und bei der Montage zugeschnitten. Dadurch können die Mindestwerte für Verkehrswege auf Gerüsten von 20 Zentimeter womöglich nicht eingehalten werden. In der Folge können Beschäftigte auf dem Gerüst stürzen oder dieses im Ernstfall nicht schnell genug verlassen. Die Lösung sind hier Gerüste, deren Beläge nicht 60 Zentimeter, sondern 90 Zentimeter breit sind (Breitenklasse W09). So verbleibt trotz Arbeiten und Material eine ausreichende Durchgangsbreite.
 

Beton-Fertigteile werden mit einem Kram zu einem Fertigteilhaus zusammengesetzt.
Bild: alisseja - stock.adobe.com

4. Vorgefertigte Bauteile

Nicht nur beim Neubau, auch bei der energetischen Sanierung von Gebäuden können vorgefertigte Bauteile zum Einsatz kommen. Gerade wenn mehrere ähnliche oder gleiche Gebäude saniert werden, geht es mit vorgefertigten Fassaden- oder Dachelementen häufig deutlich effizienter, als wenn Teile wie Fenster, Dämmung und Verkleidung einzeln und nacheinander am Gebäude angebracht werden. Das Problem: Reißt bei einem großen und schweren Bauteil das Anschlagmittel ab, bewegt es sich bei hohen Windlasten am Kran unkontrolliert hin und her oder stürzt es bei der Befestigung um, kann es großen Schaden verursachen und im schlimmsten Fall Beschäftigte treffen oder unter sich begraben.

Rückseite einer Dose mit Infos und Verwendungshinweisen, bei der der Satz "Ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen" mit einem blauen Rahmen hervorgehoben ist.
Bild: Klaus Kersting - BG BAU

Sind Sie vorbereitet?

Isocyanate, die wesentlichen Ausgangsstoffe von Polyurethanen (PU), dürfen ab dem 24. August 2023 nur noch von geschultem Personal verwendet werden. 

Zur Isocyanate-Schulung informieren und anmelden.

 

Planung ist das A und O

Gegen diese Gefährdungen hilft ein sorgsamer und gut geplanter Umgang mit den vorgefertigten Teilen: Es sollten nur geeignete Lagerstätten und Anschlagmittel verwendet werden, regelmäßige Sichtkontrollen der Bauteile sind zu empfehlen und die Beschäftigten sollten eine Montageanweisung mit detaillierten Vorgaben erhalten sowie zum Umgang mit den Teilen unterwiesen werden.


Arbeitsschutz als wichtiger Bestandteil der Energiewende

Die dargestellten Beispiele zeigen: Nur wenn auch der Arbeitsschutz beachtet wird, ist eine wirklich nachhaltige Energiewende möglich – mit gesunden Handwerkerinnen und Handwerkern, zügigen Sanierungsarbeiten sowie zufriedenen Auftraggeberinnen und Auftraggebern.

5. September 2023

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