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Die Entwicklung ist besorgniserregend: Im ersten Halbjahr 2020 ereigneten sich erheblich mehr tödliche Arbeitsunfälle auf Baustellen als im Vorjahreszeitraum. Davon waren nahezu 50 Prozent Absturzunfälle, zumeist von Leitern, Gerüsten oder Dächern sowie Durchstürze durch Lichtkuppeln und Dachbeläge.
Häufig werden Vorschriften im Arbeitsschutz missachtet und es kommt zu Ab- und Durchstürzen. Fehlendes Gefahrenbewusstsein ist eine weitere Ursache: Wenn es schnell gehen muss, wird schon mal auf die Absturzsicherung verzichtet – oft mit schwerwiegenden Folgen. Fachleute der BG BAU wie Hendrikje Rahming analysieren die Unfälle regelmäßig und suchen nach Lösungen, um sie zu vermeiden. „Immer häufiger werden Photovoltaik-, Lüftungs-, Klima- und Wärmeabzugsanlagen oder Telekommunikationseinrichtungen auf Dächern installiert“, erläutert Hendrikje Rahming. „Diese Anlagen müssen regelmäßig gewartet werden. Häufig fehlen geeignete Vorrichtungen zur Sicherung. Diese sollten gleich beim Bau mitgeplant oder nachträglich nachgerüstet werden.“
Bei allen Arbeiten ab 1 Meter Höhe sind Maßnahmen gegen Absturz Pflicht. „Auch ein Sturz aus niedriger Höhe kann verheerende Folgen haben. Seitenschutz oder Gerüste sind als kollektive Schutzmaßnahmen immer die erste Wahl. Kollektiv heißt, dass sie für die Bauarbeiten ständig vorhanden und für alle nutzbar sind“, macht Hendrikje Rahming klar. „Dauerhaft auf dem Flachdach installierte Seitenschutzsysteme, die es auch einklappbar gibt, sind eine praktische Lösung. An Schrägdächern können Firstschienen als langfristige Sicherungseinrichtung dienen.“
Das gilt auch für Lichtkuppeln, Lichtbänder, Lichtplatten, Glasoberlichter und Shed-Verglasungen auf Dächern: „Oberlichter vermitteln meist ein Gefühl von Sicherheit. Sie wirken stabil, sind aber nur selten durchtrittsicher. Auch wer das weiß, kann stolpern oder einen falschen Schritt machen und durch eine Lichtplatte- oder Lichtöffnung stürzen. Manchmal sind sie durch Laub oder Ablagerungen schlecht sichtbar und werden aus Versehen betreten.“
Getestete Kunststoffoberlichter erhalten in der Regel das Prüfergebnis „durchsturzsicher ein Jahr nach Einbau“ und so muss bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen werden, dass diese immer zu sichern sind!
Auf Seitenschutz bzw. Absperrungen kann nur verzichtet werden, wenn sie aus arbeitstechnischen Gründen, etwa bei Arbeiten an der Absturzkante, nicht möglich und stattdessen Auffangeinrichtungen (Fang- und Dachfanggerüste/Schutznetze) vorhanden sind. Nur wenn Seitenschutz und Auffangeinrichtungen unzweckmäßig sind, darf persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) verwendet werden.
„Da ein Verletzungsrisiko nicht auszuschließen ist, erfordert der Einsatz von PSAgA besondere Sorgfalt“, so Hendrikje Rahming. „Neben der Auswahl geeigneter Anschlageinrichtungen und der für diese Tätigkeiten geeigneten Personen, müssen diese im Umgang damit geschult und unterwiesen sein. Dazu braucht es ein lückenloses Rettungskonzept, das geübt werden muss.“
Häufiger von Ab- und Durchsturzunfällen sind Beschäftigte betroffen, die älter als 40 Jahre sind und über mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Nachlassendes Gefahrenbewusstsein und risikobehaftete Angewohnheiten könnten Gründe dafür sein.
Mit der Gefährdungsbeurteilung lassen sich Risiken erkennen, wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen und Beschäftigte unterweisen. „Gefährdungsbeurteilungen dürfen nicht als lästige Pflicht, sondern vielmehr als Chance für sicheres Arbeiten angesehen werden und sollten bereits Teil der Arbeitsvorbereitung sein“, sagt Bernhard Arenz, Präventionsleiter der BG BAU.
8. Januar 2024