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In unserem Schwerpunkt zum Thema Kopfschutz erläutern wir, wann Helme getragen werden müssen, was bei ihrer Auswahl zu beachten ist und wie sich ihre Akzeptanz unter den Beschäftigten steigern lässt.
Stellen Sie sich vor, Sie kommen auf eine Baustelle und niemand hat einen Helm auf. Und das, obwohl Lasten an Kranen durch die Luft schweben und Beschäftigte sich auf Gerüsten und Dächern bewegen … Was sich wie der Anfang eines halb garen Witzes anhört, bleibt in der Wirklichkeit ohne Pointe.
Solche Situationen kennen auch die Aufsichtspersonen der BG BAU nur zu gut. „Was soll mir denn beim Spachteln der Wände schon auf den Kopf fallen“, ist eine typische Antwort, wenn Beschäftigte auf den fehlenden Helm angesprochen werden. Die Unfallstatistik zeigt allerdings ein anderes Bild: Wenn es bei Abstürzen von höher gelegenen Arbeitsplätzen zu tödlichen Unfällen kommt, gehen diese häufig auf schwere Kopfverletzungen zurück.
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Nicht nur von der Schwere, auch von der Anzahl her sind Kopfverletzungen weit verbreitet. Von den mehr als 100.000 meldepflichtigen Arbeitsunfällen, die die BG BAU jährlich aufnimmt, entfallen mehr als 6.000 auf Kopfverletzungen. Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von abstürzenden Personen per Kamera zeigen, dass der Kopf so gut wie immer aufschlägt. Schlecht, wenn dieser dann ungeschützt ist.
Auf der Baustelle kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, die Kopfverletzungen verursachen können. Dazu zählen:
• Herabfallendes Baumaterial und Arbeitsmittel, die unsachgemäß gelagert, ungesichert platziert oder transportiert oder falsch angeschlagen sind
• Umstürzende Bauteile, die mangelhaft gesichert oder statisch falsch berechnet wurden
• Abstürze von Personen, die nicht oder nur unzureichend gegen Absturz gesichert sind
• Abstürze von oder Umstürze mit Leitern
• Stürze infolge von Stolpern, Ausrutschen oder Fehltritten
In den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften und Regeln wird eine generelle Helmpflicht für Baustellen nicht explizit genannt. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben allerdings im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung mögliche Risiken für ihre Beschäftigten zu ermitteln und die nötigen Schutzmaßnahmen festzulegen. Auf Baustellen gibt es Gefährdungen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und fast überall auftreten:
• Anstoßen an Gegenständen wie Gerüsten, Baumaschinen und Baumaterial.
• Aufprallen auf dem Boden, auf dem Baukörper, auf dem Gerüst oder auf Gegenständen infolge eines Sturzes.
• Verletzungen durch herabfallende, pendelnde, umfallende oder wegfliegende Gegenstände, wenn sich etwa Bau- oder Gerüstteile lösen, Baumaterialien vom Dach oder transportierte Gegenstände vom Kran oder Bagger fallen.
Diese Gefährdungen sind sehr verbreitet und können insbesondere am Kopf der Beschäftigten zu schweren oder tödlichen Verletzungen führen. Das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung wird daher fast immer sein, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der oben genannten Gefährdungen besteht und daher Schutzhelme zu beschaffen und von den Beschäftigten zu tragen sind. Das betrifft nicht nur die Baubranche, sondern auch die baunahen Dienstleistungen. So bringen alle Tätigkeiten auf hoch gelegenen Arbeitsplätzen – sei es auf einer Leiter, in der Nähe einer Absturzkante oder aus einer Hubarbeitsbühne heraus – die Gefahr von Abstürzen mit sich. Aber auch das Risiko, an Gegenständen anzustoßen, zu stolpern oder durch Bodenöffnungen zu stürzen, ist im Arbeitsalltag der meisten Gewerke allgegenwärtig. Je nach Gefährdungsart muss daher ein geeigneter Schutzhelm gewählt werden.
Beispielsweise muss ein Helm, der gegen Sturzverletzungen schützen soll, über einen geeigneten Kinnriemen verfügen, damit er während des Sturzes sicher auf dem Kopf bleibt und nicht etwa vor dem Aufprall verrutscht oder abfällt. In der Gefährdungsbeurteilung wird somit nicht nur geklärt, ob ein Helm getragen werden soll, sondern auch, welche Eigenschaften der Helm haben muss, der dann von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber zu beschaffen ist.
„Kopfschutz beginnt allerdings nicht erst beim Helm“, erklärt Christian Wagner, Aufsichtsperson bei der BG BAU und Leiter des Sachgebiets Kopfschutz bei der DGUV. Im Gegenteil: Bevor ein Schutzhelm den Kopf zum Beispiel vor einem Sturz oder einem herunterfallenden Gegenstand abschirmt, gilt es, den Sturz zu vermeiden oder das Herunterfallen, etwa von Gegenständen, zu verhindern. Denn so vielfältig die Unfallursachen und -szenarien sind, so viele Möglichkeiten gibt es auch, um Unfälle zu vermeiden. „Maßgebend ist und bleibt die Gefährdungsbeurteilung“, so Wagner. Die Schutzmaßnahmen, mit denen die darin ermittelten Risiken gebannt werden sollen, sind nach dem TOP-Prinzip auszuwählen. Das bedeutet, dass technische Schutzmaßnahmen Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen haben. Erst an dritter Stelle folgt die persönliche Schutzausrüstung. Der Schutzhelm gehört damit zur persönlichen Schutzausrüstung und ist kein Allheilmittel. Eine Auswahl von Schutzmaßnahmen, um Kopfverletzungen zu verhindern oder zu verringern, sind im Infokasten aufgeführt.
In den vergangenen Jahren hat sich das Angebot von Kopfschutz erheblich vergrößert und bietet heute ein breites Spektrum, das zum Teil Produkte aufweist, die Anforderungen aus mehreren Normen erfüllen. Somit stehen maßgeschneiderte Lösungen für viele Tätigkeitsbereiche bereit.
Voraussetzung für die Auswahl des richtigen Kopfschutzes ist es, neben den Normen auch die Herstellerangaben zu dem jeweiligen Kopfschutz zu berücksichtigen. Geläufig sind folgende Helmtypen:
Sie dient ausschließlich zum Schutz gegen Anprallen des Kopfes gegen feststehende, harte Gegenstände und bietet ausdrücklich keinen Schutz gegen fallende, kippende oder vergleichbare Einwirkungen. Aufgrund dieses unvollständigen Schutzes wird sie nur in wenigen Fällen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und im Baubereich fast ausschließlich in Innenräumen zu verwenden sein.
Er schützt gegen Anprallen, Anstoßen sowie herabfallende Gegenstände. Auf Baustellen ist er stark verbreitet. Ein Schutz gegen seitliches Aufprallen ist ebenfalls vorhanden, aber nicht durch eine gesonderte Prüfung belegt. Zum Schutz vor Abstürzen und Aufprallen ist unbedingt ein Kinnriemen erforderlich.
Dieser Helmtyp ist explizit auf seitliche Stoßdämpfung geprüft. Außerdem bietet er erhöhte Stoßdämpfung im Scheitelbereich. In Kombination mit einem Drei- oder Vier-Punkt-Kinnriemen eignet er sich daher besonders gut zum Schutz vor Abstürzen und Aufprallen auf dem Boden oder auf Gegenständen. Der Kinnriemen gibt wie beim Industrieschutzhelm bei 150 bis 250 Newton (N) nach und schützt daher vor Strangulationsgefahr. Der Helmtyp erfüllt außerdem alle weiteren, beim einfachen Industrieschutzhelm genannten Schutzmerkmale.
Er ist kompakt, leicht, und verfügt fast immer mit Drei- oder Vier-Punkt-Riemen. Dieser Helm wurde zum Schutz vor Gefährdungen beim Bergsteigen entwickelt, daher ist er als Schutz gegen die Einwirkungen von Abstürzen und Steinschlag genormt. Sollen Bergsteigerhelme in industriellen Bereichen eingesetzt werden, müssen sie zusätzlich die entsprechenden Normen für Industrieschutzhelme erfüllen. So erfolgt ihre standardmäßige Normierung beispielsweise „nur“ bei 35 Grad und nicht bei 50 Grad. Besonders geeignet sind Bergsteigerhelme als Schutz vor Pendelstürzen. Der Verschluss des Kinnriemens erfordert eine Öffnungskraft von mindestens 500 Newton (N), sodass sich der Gurt auch bei mehrfachem Anschlagen des Kopfes nicht öffnet. Der besonders stabile Kinnriemen schließt allerdings eine Nutzung bei Strangulationsgefahr aus. Beim Kinnriemen können Bergsteigerhelme die Prüfungsanforderungen aus der Norm für Industrieschutzhelme somit nicht erfüllen.
Sowohl Bergsteigerhelme als auch Industrieschutzhelme nutzen unterschiedliche Belüftungstechniken – abhängig von der Innenausstattung des jeweiligen Helms. Bei Helmen mit Textiltragebändern besteht ein Abstand zwischen Kopf und Helmschale. Die Luft, die durch Öffnungen in der Helmschale eintritt, kann so im Inneren zirkulieren. Bei Helmen mit Schaumstoff-Innenschale erfolgt dagegen die Belüftung über viele und auch teils große Öffnungen. Im Baubereich muss daher bei der Auswahl des Kopfschutzes darauf geachtet werden, dass die Öffnungen nicht größer sind als die möglicherweise herabfallenden Gegenstände, wie etwa Schrauben. Gleichzeitig trägt eine gute Belüftung maßgeblich zu einem hohen Tragekomfort bei.
Auch wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wissen, wie wichtig Helme im Baualltag sind und dass für jeden Zweck das passende Modell zu haben ist, stellt sich oft weiterhin die Ausgangsfrage: Wie schaffe ich es, dass meine Beschäftigten den Helm auch wirklich tragen? Christian Wagner, der Helm-Experte der DGUV, gibt darauf folgende Antwort: „Binden Sie die Beschäftigten frühzeitig bei der Auswahl der Helme ein, verdeutlichen Sie in Unterweisungen ihre lebensrettende Wirkung und tragen Sie als Vorbild auf der Baustelle am besten immer selbst einen Helm.“ Nicht nur arbeitsrechtliche Vorschriften und technische Normen, auch das Zwischenmenschliche und die Kommunikation sind also wichtige Faktoren, damit das Thema Kopfschutz in der Praxis funktioniert.
18. November 2022