Im Gespräch

„Je gemischter ein Team ist, desto besser“

Im Interview spricht Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende des Verbands UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH), über die Ziele und Aktivitäten ihres Verbands und die Rolle von Frauen in Handwerksbetrieben.

Frau Lanvermann, können Sie uns zu Beginn kurz das Profil und die Ziele Ihres Verbands erläutern?

Wir sind als UFH eine feste Größe des Handwerks. Gegründet wurde der Verband 1976 von Unternehmerfrauen, die sich unter Gleichgesinnten weiterbilden und austauschen wollten. Ab 1988 entstand dann ein Bundesverband mit Landesverbänden und regionalen Arbeitskreisen in ganz Deutschland. Wir vertreten die Interessen der Unternehmerinnen und Führungskräfte im Handwerk. Unser Anliegen ist es, die Sichtbarkeit, Akzeptanz und Gleichberechtigung von Frauen im Handwerk unter Einbindung unserer Mitgliedsbetriebe zu stärken. Außerdem fördern wir die Weiterbildung und Qualifizierung unserer Mitglieder. Frauen haben bei uns die Möglichkeit, sich zu vernetzen, miteinander und voneinander zu lernen.
 

Welche Rolle spielen Frauen im Handwerk? Wie würde die Branche ohne sie aussehen?

Es gibt einen Imagefilm des Handwerks, in dem die Welt ohne die Branche quasi nicht existieren würde. Ganz so dramatisch wäre die Lage nicht, würden Handwerksbetriebe ohne Frauen auskommen müssen. Aber ihre Rolle ist zweifellos vielseitig und sehr wichtig! Frauen wussten in der Vergangenheit zum Teil nicht, wie viele unterschiedliche und spannende Berufe es im Handwerk gibt. Das ändert sich nun zunehmend. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und möglicher Betriebsschließungen aufgrund fehlender Nachfolgerinnen und Nachfolger wird die Expertise von Frauen im Handwerk dringend gebraucht. Um hier mehr Frauen zu motivieren, Betriebe zu übernehmen, wäre es sinnvoll zu überlegen, einen Mutterschutz für Selbstständige einzuführen.
 

Hat ein höherer Frauenanteil im Unternehmen Auswirkungen auf die internen Prozesse und Leistungen eines Unternehmens?

Je gemischter das Team ist, das in einem Unternehmen arbeitet, desto besser ist das für das Arbeitsklima und auch für die Leistung auf der Baustelle. Frauen können sich bekanntlich gut organisieren, sind vorsichtiger und empathischer. Dies sind Eigenschaften, die viele Vorteile für die Arbeit im Betrieb und außerhalb des Betriebs mit sich bringen.

Porträt Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende des Verbands UnternehmerFrauen
im Handwerk (UFH).
Bild: Uwe Weber

Zur Person

Tatjana Lanvermann ist seit 2021 Vorsitzende des Bundesverbands UnternehmerFrauen im Handwerk. Im UFH ist sie schon mehr als zwanzig Jahre aktiv, lange Zeit als Leiterin des Landesverbands Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann führt die unter anderem als Betriebswirtin des Handwerks ausgebildete Lanvermann einen Heizung-Sanitär-Betrieb in Borken-Marbeck.

Was müsste sich aus Ihrer Sicht verändern, damit mehr Frauen in männerdominierten Branchen wie der Bauwirtschaft tätig werden?

Zunächst wäre es hilfreich, junge Frauen noch intensiver darauf aufmerksam zu machen, welche abwechslungsreichen und großartigen Berufe es im Bauhandwerk gibt. Als Verband versuchen wir, Unternehmen hierbei zu unterstützen. Im Interview spricht Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende des Verbands UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH), über die Ziele und Aktivitäten ihres Verbands, die Rolle von Frauen in Handwerksbetrieben und wie es gelingen kann, mehr weibliche Arbeitskräfte für die Baubranche zu begeistern. Mit unserem Siegel „Handwerk ist hier auch Frauensache“ können Betriebe nach außen zeigen, dass bei ihnen Frauen willkommen sind. Außerdem brauchen Mädchen und junge Frauen Vorbilder und müssen sehen können, dass Frauen auch in männerdominierten Gewerken erfolgreich sein können, wertgeschätzt werden und keine „Exoten“ sind. Einen wichtigen Beitrag können auch das Klima und die Kultur in den Unternehmen leisten: Zwischen den Geschlechtern sollte gegenseitige Akzeptanz gelebt werden. Führungskräfte sollten ein Auge hierauf haben und etwa Anlaufstellen und Ansprechpersonen im Betrieb schaffen, damit mögliche Probleme sofort aufgedeckt und kommuniziert werden.
 

Wie wichtig ist Ihren Mitgliedern die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten? Messen Frauen dem Thema womöglich mehr Bedeutung bei als Männer?

Grundsätzlich würde ich sagen: Frauen haben ein anderes Auge für die Sicherheit am Arbeitsplatz. Viele Dinge sind für Frauen im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz selbstverständlich. Geht es allerdings an ihre persönliche Komfortzone, können auch Frauen schnell nachlässig beim Arbeitsschutz werden. Als Führungskräfte nehmen Frauen die Sicherheit am Arbeitsplatz genauso wichtig wie ihre männlichen Kollegen. Die Umsetzung gegenüber den Mitarbeitenden wird vielleicht etwas konsequenter beobachtet und intensiver geahndet, aber grundsätzlich ist es allen Führungskräften und Unternehmensleitungen sehr wichtig, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu erhalten. Das ergibt sich aus unserer sozialen Verantwortung für die Beschäftigten.
 

Ist die am Markt verfügbare Sicherheitsausrüstung auch für Frauen geeignet oder bräuchte es hier mehr angepasste Produkte?

Die verfügbare Sicherheitsausrüstung gibt es in vielen und auch kleineren Größen, da ist der Markt gut aufgestellt. Was fehlt, ist die Kennzeichnung oder auch die genaue Anpassung für Frauen. Viele Frauen am Bau stört dieser Umstand nicht mehr, doch wünschen sie sich auch manchmal etwas mehr Bequemlichkeit, etwa bei der Passform von Brillen, Helmen und Schuhen. Verbesserungsfähig ist aber auf jeden Fall der Trage- und Transportkomfort von Materialien und Produkten – egal, ob für Männer oder Frauen. Hier genügen nicht nur Tragehilfsmittel, sondern es sollte bereits bei der Entwicklung von Produkten mehr auf Gewicht, Größe und Montagefreundlichkeit geachtet werden.

Illustration eines Lautsprechers mit Briefen.
Bild: Julien Eichinger - stock.adobe.com

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7. Dezember 2023

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