Arbeitswelt im Wandel

Kann Künstliche Intelligenz Gefährdungsbeurteilung?

Bauunternehmen erhalten immer mehr Angebote für Apps, die automatisch Gefährdungsbeurteilungen erzeugen. Was hinter den Versprechen steckt und wie Künstliche Intelligenz lernen kann, Gefährdungen auf realen Baustellen zu beurteilen.

Das hört sich gut an: bürokratische Pflichten ganz einfach mit Künstlicher Intelligenz (KI) erledigen. Inzwischen werden verschiedene Software-Tools angeboten, die versprechen, maßgeschneiderte Gefährdungsbeurteilungen (GB) und Unterweisungsunterlagen für das eigene Unternehmen auf Knopfdruck zu erzeugen.

Auch ohne KI ist die Erstellung einer GB machbar und keine „Raketenwissenschaft“. Der Aufwand hängt von den Anforderungen des Bauprojekts und den Umständen am Arbeitsplatz, also der Baustelle, ab. Doch genau hier zeigt sich der Schwachpunkt des KI-Ansatzes: Um das Versprechen einer wirkungsvollen GB einzulösen, fehlen den Anwendungen häufig brauchbare Daten.

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Bild: momius - Fotolia

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Datenmenge und Datenqualität entscheidend

Frei verfügbare Sprach-KI-Anwendungen wie „ChatGPT“, „Gemini“ oder „Claude“ können bereits recht verlässlich geeignete Regelwerke und im Internet veröffentlichte Arbeitsschutzinformationen für bestimmte Tätigkeiten zusammenstellen. Häufig interpretieren sie, wie Informationen zu verstehen und anzuwenden sind. Hier ist Vorsicht geboten, da diese KI-Tools (bis jetzt) dazu neigen, Fakten in glaubhaftem Ton zu neuen Zusammenhängen ohne realen Bezug zusammenzusetzen – sie „halluzinieren“.

Illustration sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung.
Können KI-Anwendungen zukünftig tatsächlich alle sieben Schritte einer Gefährdungsbeurteilung kompetent erledigen?
Bild: Jessica Krug - HAAS Publishing GmbH

Für eine wirksame GB ist zuerst eine ausreichende Menge an qualitativ hochwertigen Daten notwendig. In der Baubranche sind solche Daten bisher nur lückenhaft verfügbar, was die Genauigkeit einer Gefährdungsbeurteilung beeinträchtigen kann. Das betont auch Bernd Merz, der sich in der Abteilung Prävention der BG BAU mit dem Thema befasst: „Man sollte sich bewusst sein, dass die derzeit angebotenen Anwendungen scheinbar eindeutige Ergebnisse aus statistischen Unfalldaten unbekannter Herkunft mittels unbekannter Filterregeln und unbekannter Algorithmen zusammenstellen!“
 

Welche Formen von KI zur Gefährdungsanalyse beitragen können

  • Vor allem das Machine Learning kann für die GB wichtige Informationen liefern, da es aus Daten Muster erkennt und Vorhersagen trifft. Damit lassen sich etwa Unfallstatistiken analysieren, um potenzielle Gefahrenquellen zu identifizieren.
  • Expertensysteme, die auf festgelegten Regeln basieren, können ebenfalls hilfreich sein, indem sie standardisierte Sicherheitsprozesse überprüfen.
  • Auch Sprach-KI wie Chatbots sind in der Lage, zur GB beizutragen, indem sie Informationen sammeln und strukturieren. Sie könnten Unfallberichte oder Sicherheitsprotokolle durchsuchen und wichtige Informationen extrahieren oder zusammenfassen.

Wie KI zuverlässige GB erzeugen könnte 

Ein Blick über den Tellerrand zeigt, wie es gehen könnte: In den USA und China werden große Mengen an qualitätsgesicherten Daten gewonnen und verarbeitet, so Bernd Merz. Damit sei es möglich, fundierte Wahrscheinlichkeitsberechnungen anzustellen, die Gefährdungsbeurteilungen zu einem hohen Grad vorbereiten könnten.

Illustration eines Lautsprechers mit Briefen.
Bild: Julien Eichinger - stock.adobe.com

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Doch auch in Deutschland sind entsprechende Entwicklungen im Gange. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ermittelt in einem aktuellen Forschungsprojekt das Potenzial von KI zur Risikoanalyse im betrieblichen Arbeitsschutz. Die BG BAU beteiligt sich mit weiteren Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung an der Entwicklung einer App. Sie soll auf Basis von KI-Technologie Unternehmen helfen, Arbeitsschutzprozesse – darunter auch die GB – in Teilen zu automatisieren. Das entbindet die Unternehmen jedoch nicht von ihrer Verantwortung. Für die Baubranche könnte die Verbreitung des Building Information Modeling (BIM) in Planung und Umsetzung mehr verlässliche Daten beisteuern.

Ein Bauarbeiter schreibt etwas auf ein Papier auf seinem Klemmbrett.
Die Entwicklung von KI-Anwendungen und ihre Leistungsfähigkeit schreiten in hohem Tempo voran. Letztlich verantwortlich für die GB bleibt aber das Unternehmen.
Bild: KM.Photo - stock.adobe.com

Aber auch die Branche selbst kann diesen Prozess beschleunigen. Die Initiative eines Gerüstbau-Unternehmens aus Sachsen zeigt, wie sich mithilfe eines Chatbots, der mit Auftragsdaten und Baustelleninformationen trainiert ist, verwertbare GB-Daten und Schutzmaßnahmen erstellen lassen.

11. August 2025

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