Porträt Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Geschäftsführer Dachdeckermeister Claus Dittrich GmbH & Co. KG
Bild: Sascha Schneider - ZDH
Im Gespräch

„Sicherheit hat absolute Priorität“

Jörg Dittrich führt einen Dachdeckerbetrieb und ist seit 2023 Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Im Interview schildert er die Herausforderungen im Handwerk und gibt Einblicke in den Arbeitsschutz in seinem Unternehmen.

Herr Dittrich, das Handwerk steht vor großen Herausforderungen – welche ist aus Ihrer Sicht aktuell die größte?

Es sind die Megathemen unserer Zeit, die das Handwerk umtreiben: Fachkräftesicherung, digitale und ökologische Transformation und die zwingend nötige Modernisierung unserer sozialen Sicherungssysteme, um sie zukunftssicher aufzustellen. An erster Stelle steht im Handwerk jedoch die Sicherung von Fachkräften, die die Betriebe nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft dringend brauchen, um erfolgreich am Markt tätig zu sein und vor allem um ihren Beitrag bei den anstehenden Zukunftsaufgaben beim Klimaschutz sowie der Energie- und Mobilitätswende leisten zu können. Für diese Transformationsprozesse ist das Handwerk unverzichtbar. Daher wird nicht allein das Handwerk, sondern die Politik und die Gesellschaft insgesamt alle Register ziehen müssen, um wieder mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung im Handwerk zu gewinnen. In der Bildungspolitik braucht es dringend eine Kehrtwende: Handwerklichen Berufen müssen die Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werden, die ihnen mit Blick auf ihre zentrale Rolle für die Zukunft unseres Landes gebührt. Dafür fordert das Handwerk eine Bildungswende.

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Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH / (c) BG BAU

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Alle Branchen leiden unter Arbeits- und Fachkräftemangel. Können Betriebe mit guten und sicheren Arbeitsplätzen punkten?

Von der Fachkräftesicherung hängt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ab. Das wissen die Handwerksbetriebe, deren Ausbildungswille weiterhin ungebrochen ist. Junge Menschen auszubilden, ist die vielleicht wichtigste Maßnahme, um sich für die Zukunft zu rüsten. Zugleich müssen sich die Betriebe als attraktive Arbeitgeber positionieren. Dabei spielt der Faktor der Jobsicherheit sicherlich eine zentrale Rolle. Und gerade damit kann das Handwerk aktuell punkten: Wohl in kaum einem anderen Wirtschaftsbereich lassen sich derart viele sinnstiftende und zukunftssichere Jobs finden. Denn auch die akuten Krisen ändern nichts an der langfristig positiven Perspektive für das Handwerk. Mit Blick auf die Transformationsaufgaben ist in diesen ungewissen Zeiten eines sicher: die Arbeit wird für qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker in den kommenden Jahren nicht ausgehen.

Im Handwerk gibt es noch immer viele Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Inwieweit unterstützt der ZDH seine Mitglieder beim Arbeitsschutz?

Beim Arbeitsschutz geht es längst nicht mehr nur um die reine Gefahrenabwehr und darum, Risiken für die Sicherheit der Beschäftigten zu beseitigen. Der Fokus ist inzwischen vor allem auch darauf gerichtet, vorbeugend die Gesundheit zu bewahren und für gute und sichere Arbeitsbedingungen zu sorgen – und dabei stets die Veränderungen der Arbeit selbst und des Arbeitsumfelds zu berücksichtigen. Der ZDH setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass bei allen Tätigkeiten im Betrieb immer auch prioritär Sicherheit und Gesundheit mitgedacht werden. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, unterstützen wir unter anderem den Deutschen Arbeitsschutzpreis – und freuen uns, dass unter den Preisträgern regelmäßig Handwerksbetriebe sind.
 

Porträt Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Geschäftsführer Dachdeckermeister Claus Dittrich GmbH & Co. KG
Bild: Sascha Schneider - ZDH

Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH)

Dachdeckermeister und Diplom-Hochbauingenieur Jörg Dittrich (53) ist Geschäftsführer der Dachdeckermeister Claus Dittrich GmbH & Co. KG in Dresden. Vor rund 25 Jahren übernahm er den bereits 1905 von seinem Urgroßvater gegründeten Familienbetrieb. Das Unternehmen mit rund 60 Beschäftigten, das auch Niederlassungen in Berlin und Breslau hat, ist auf Dachdeckerei, Dachklempnerei, Zimmerei und Trockenbau spezialisiert. Dittrich ist zudem seit 2012 Präsident der Handwerkskammer Dresden. Er ist verheiratet und hat sechs Kinder.

In vielen Betrieben arbeiten zunehmend ältere Menschen. Was können Unternehmen tun, um ältere Beschäftigte länger zu halten?

„Neue Besen kehren gut – doch die alten kennen die Ecken“ – im Handwerk wissen und schätzen die Betriebsinhaberinnen und -inhaber das, was in diesem Sprichwort zum Ausdruck gebracht wird. Daher tun sie viel dafür, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis ins Rentenalter und darüber hinaus gesundheitlich fit und leistungsfähig bleiben. Die Palette von Maßnahmen in den Betrieben reicht von Bewegungs- über Entspannungs- bis hin zu Ernährungsangeboten.

„Beim Arbeitsschutz geht es längst nicht mehr nur um die reine Gefahrenabwehr und darum, Risiken für die Sicherheit der Beschäftigten zu beseitigen. Der Fokus ist inzwischen vor allem auch darauf gerichtet, vorbeugend die Gesundheit zu bewahren und für gute und sichere Arbeitsbedingungen zu sorgen.“
Jörg Dittrich

Und auch die Digitalisierung wird inzwischen gesundheitsfördernd eingesetzt – etwa durch technische Hilfsmittel wie Hebebühnen, durch sogenannte Wearables, also mit Sensoren ausgestattete Arbeitskleidung, oder auch durch Exoskelette, eine Art „Überzieh-Roboter“, mit dem die Muskelkraft mechanisch verstärkt wird, was das Anheben und Halten von schweren Bauteilen erleichtert. All das trägt dazu bei, körperlich anstrengende Arbeiten für die Beschäftigten leichter zu machen. Bemerkenswert ist, dass die Betriebe all das leisten, obwohl sie in den meisten Fällen keine eigene Personalabteilung haben.


Als Geschäftsführer eines Dachdeckerbetriebs tragen Sie eine hohe Verantwortung. Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Beschäftigten sicher arbeiten?

Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sprichwörtlich das Herz unseres Familienbetriebs – ohne sie läuft nichts! Ihre Sicherheit zu gewährleisten, hat absolute Priorität. Ein Satz, der immer wieder in unseren Betriebsversammlungen wiederholt wird, macht es deutlich: Arbeitsschutz geht vor, auch vor der Erfüllung der Arbeitsaufgabe! Routine darf kein Grund für kleine oder große Unfälle sein.

Rückseite einer Dose mit Infos und Verwendungshinweisen, bei der der Satz "Ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen" mit einem blauen Rahmen hervorgehoben ist.
Bild: Klaus Kersting - BG BAU

Sind Sie vorbereitet?

Isocyanate, die wesentlichen Ausgangsstoffe von Polyurethanen (PU), dürfen ab dem 24. August 2023 nur noch von geschultem Personal verwendet werden. 

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Wir haben zuletzt einige heiße Sommer erlebt. Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel für ein sicheres Arbeiten in Ihrer Branche?

Dachdeckerinnen und Dachdecker arbeiten im Freien und haben in heißen Sommern tatsächlich zunehmend mit UV-Strahlung, Hitzebelastung und einer erhöhten Konzentration von Schadstoffen – etwa Sommersmog oder Ozon – zu kämpfen. Der Schutz des Teams vor diesen schädigenden Einflüssen steht daher an oberster Stelle. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden daher regelmäßig für die Risiken sensibilisiert, informiert und hinsichtlich Vorsorgemaßnahmen geschult. Sonnenschutzcreme, Sonnenbrillen und Sonnenschutzkappen gehören zur Standardausrüstung. Dazu gehören dann auch die Hinweise, dass Kolleginnen und Kollegen gegenseitig auf sich achten und genug trinken. Im Sommer wird auch Wasser gestellt. Als Betriebsinhaber sollte man natürlich dafür Sorge tragen, dass es ausreichend Flüssigkeit auf der Baustelle gibt, und man sollte, soweit es möglich ist, versuchen, die Arbeitszeiten so zu organisieren, dass vor allem die kühleren Tageszeiten genutzt werden.

5. September 2023

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